Die landschaft

Die Landschaft

Ce roc à Rio de Janeiro est célèbre. Autour de lui se dressent des montagnes échevelées; la mer les baigne. Des palmiers, des bananiers; la splendeur tropicale anime le site. On s’arrête, on y installe son fauteuil. Crac! Un cadre tout autour. Crac! Les quatre obliques d’une perspective! Votre chambre est installée face au site. Le paysage entre tout entier dans votre chambre. Le pacte avec la nature a été scellé! Par des dispositifs d’urbanisme, il est possible d’inscrire la nature dans le bail. Rio de Janeiro est un site célèbre. Mais Alger, mais Marseille, mais Oran, Nice et toute la Côte d’Azur, Barcelone et tant de villes maritimes ou continentals disposent de paysages admirables!

Le Corbusier

1. Eine kurze Beschreibung

Der längliche Raum ist verdunkelt. 7 Diaprojektoren stehen nebeneinander aufgestellt und projizieren in regelmäßigen Zeitabständen eine Reihe von Dias auf eine lange Wand. Kein einziges Dia enthält ein Bild; die Projektionen bestehen einzig und allein aus weißem Licht, aber jedes projizierte Rechteck hat ein anderes Format, und sie werden auch in unterschiedlicher Höhe projiziert.

Kennzeichnend für alle Lichtprojektionen ist, dass unten ein Streifen Grün und oben ein Streifen Blau zu sehen ist: die Farben, in denen die lange Projektionswand gemalt ist. Die Trennung zwischen Grün und Blau bildet eine gerade, horizontale Linie, und auch wenn die öfters durch dunkle Zonen unterbrochen wird, bildet sie eindeutig eine lange durchgehende Linie. Der Künstler hat sie in Augenhöhe angebracht. Die schwer einzuschätzende Länge des verdunkelten Saals vermittelt die Illusion, dass diese Linie endlos ist. Die Farbkombination Grün-Blau vermittelt den Eindruck, dass in jedem leuchtenden Rahmen eine äußerst elementare und auf das Wesentliche reduzierte Landschaft zu sehen ist und dass die horizontale Linie den Horizont darstellt. Da jedes Rechteck andere Verhältnisse besitzt und in einer anderen Höhe projiziert wird, befindet sich der Horizont in einer “Landschaft” ziemlich hoch auf der Wand, in einer anderen „Landschaft“ dagegen sehr niedrig und in noch einer anderen mehr oder weniger in der Mitte. Dementsprechend präsentiert sich jede Projektion als eine spezifische, autonome Landschaft. Da aber der Horizont eine durchgehende Linie an der Wand bildet, sieht es so aus, als ob all diese Projektionen gleichzeitig zu ein und derselben Landschaft gehören. Durch die suggerierte Endlosigkeit dieser Linie wird dies sogar eine universelle Landschaft. Die Landschaft überhaupt. 

Das grüne ‚Gras’ und der blaue ‚Himmel’ sehen allerdings alles andere als ‚natürlich’ aus, im Gegenteil, sie machen einen sehr künstlichen Eindruck. Das Blau ist ‘Blue Key’, das Grün ‘Green Key’: Beide Farben werden in Film- oder Fernsehstudios öfters verwendet, weil alle möglichen virtuellen Räume und Umgebungen darauf ‘lebensecht’ projiziert werden können. 

Mitten in diesem verdunkelten Raum steht ein weißer Verschlag, der mit Leuchtstoffröhren beleuchtet wird. Das von den Röhren verbreitete Tageslicht sorgt für die Anwesenheit eines Aspekts aus der Außenwelt, der in der Installation mit den Projektoren fehlt. Drinnen im Verschlag hängt eine Liste, auf der die Namen der Künstler, Jahre und Titel von 82 Landschaftsmalereien genannt werden. Sie sind nach Museen geordnet, d.h. nach den jeweiligen Museumssammlungen, zu denen sie gehören: Hermitage (Sankt-Petersburg), Metropolitan (New York), Museum für Schöne Künste (Gent), National Gallery (London), Rijksmuseum (Amsterdam), Tate Britain (London). Dies sind die Kunstwerke, deren Umrisse mehr oder weniger in Zwölferreihen an die lange Wand des großen verdunkelten Raums projiziert werden. Ihre jeweiligen Verhältnisse und die Höhe des Horizonts entsprechen der jeweils verwendeten Höhe der Lichtprojektionen. 

Es gibt allerdings einen wesentlichen Unterschied zwischen der Präsentation all dieser Landschaften in ihrem ursprünglichen Museum und der Positionierung der Lichtprojektionen an der Wand. Im Museum hangt das Gemälde in Augenhöhe; hier gilt das für den Horizont im Gemälde. In Museen geht man meistens von einer ‚Standard’-Augenhöhe aus. Dass der Künstler sich selber als Ausgangspunkt nimmt, hat nichts mit Narzissmus zu tun. Der Künstler tritt innerhalb des Kontextes seines Werks als exemplarisches Individuum auf. Außerdem wird dieser Aspekt gleichsam korrigiert oder ergänzt durch ein drittes Werk in der Ausstellung, das genauso wie der beleuchtete Verschlag als eine Art Fußnote zu der ersten Installation wirkt. 

Dieses dritte Werk besteht aus einer halb grün, halb blau gemalten Parabolantenne und einer Rampe, die dorthin führt. Der horizontale Diameter der Parabolantenne bildet die Trennungslinie zwischen Grün und Blau. Der Zuschauer muss sich auf die Rampe begeben bis zu dem Punkt, wo die Horizontlinie nicht mehr abbiegt, sondern in seinem oder ihrem Blick perfekt gerade ist. Dann befindet sich der Horizont exakt in seiner oder ihrer individuellen Augenhöhe. 

2. Mit Blick aufs Meer

 

Die belgische Küste ist ein Ort, wo die Faszination für den Horizont auf möglichst ausgesprochene und radikale Weise zum Ausdruck kommt. Ich will mir selber das Vergnügen verschaffen, etwas mehr über den Aufenthalt in einem Appartement mit Blick aufs Meer zu sagen, in der Hoffnung, dass dies mich, in umgekehrter Richtung, zurückbringt nach Ahlen und zu dem Kern von Stijn Coles Installation.

Die belgische Küste ist sage und schreibe 64 Kilometer lang, und wenn man der Grundstücksspekulation zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht Einhalt geboten hätte, dann wäre jeder laufende Meter dieser Küstenlinie inzwischen bedeckt mit einer Batterie aufeinander gestapelter Wohneinheiten mit Blick aufs Meer. Sowohl vom Meer aus als auch vom tellerflachen Hinterland aus ist die belgische Küstenbebauung sofort zu erkennen als eine Reihe schmale und hohe Betonstreifen, die sich vor dem Horizont abzeichnen. Das Besondere an dieser ‚Metropole’, die in der Sommersaison gut 1 Million Einwohner zählt, ist, dass sie kein Zentrum hat, sondern sich zu einer linearen Stadt entwickelt hat. Die Linienstadt ist Ende des 19. Jahrhunderts als das utopische Konzept einer theoretisch endlosen Stadt auf dem Zeichentisch entstanden, wonach zuerst die Russen, später Le Corbusier und sogar Nazideutschland dieses Konzept in den zwanziger und dreißiger Jahren weiter entwickelt haben, aber abgesehen von einigen unklaren Versuchen ist die Utopie nie Wirklichkeit geworden. Die Ironie der Geschichte hat dafür gesorgt, dass an der belgischen Küste, ohne irgendeine Planung, aber durch die schonungslosen Gesetze einer wild um sich greifenden Grundstücksspekulation auf eine organische, selbstverständliche Weise eine Stadt entstanden ist, die – wenn man einigermaßen wohlwollend abstrahiert – dieser modernen Utopie ziemlich nahe kommt. Die Russen wollten mit ihrer endlosen, 500 Meter breiten Linienstadt das Ideal einer egalitären Gesellschaft gestalten: Sie wollten jedem dieselben Versorgungsmöglichkeiten bieten. Für Le Corbusier, dessen Entwürfe von Linienstädten für Rio de Janeiro und Algier sich beide an der Küstenlinie befanden, konzentrierte sich dieser zentrale Gedanke auf einen bestimmten Aspekt: für jeden dieselbe Aussicht. 

In einem Essay über Le Corbusiers Linienstadtentwürfe verdeutlicht Beatriz Colomina, wie diese den traditionellen ‘Ortsbegriff’ eingehend veränderten. Im Rahmen des Entwurfs für Rio zeichnete Le Corbusier eine Art Cartoon. Die erste Zeichnung zeigt eine berühmte Aussicht auf die Bai von Rio – eine Ansichtskarte, ein Foto, eine Landschaft. Ein Mann betrachtet das, sitzend in seinem Sessel. Anschließend zeichnet er ein Fenster zwischen dem Mann und der Aussicht, mit folgendem Begleittext: “Crac! un cadre tout autour. Crac! les quatre obliques d’une perspective! Votre chambre est installée face au site. Le paysage entre tout entier dans votre chambre. Le pacte avec la nature a été scellé!” Beatriz Colomina interpretiert dies wie folgt: “The house is seen as a system for taking pictures […] If the window is a lens, the house itself is a camera pointed at nature. Detached from nature, it is mobile.” Genauso wie Le Corbusier seinen Fotoapparat auf Reisen immer mit dabei hat, kann das Haus von Paris aus zu den vier Himmelsrichtungen mitgenommen werden. Das Haus ist ein Karton in der Luft. “To inhabit here means to inhabit that picture. But the site is only where the landscape is ‘taken’, framed by a mobile lens. […] even the landscape is here understood as a 10 to 15 kilometer strip, rather than a place in the traditional sense. The camera can be set up anywhere along that strip.” Etwas weiter im Text verdeutlicht Colomina diesen veränderten Ortsbegriff: “This does not mean that this architecture is independent from place. It is the concept ‘place’ that has changed. We are not talking here about a site but about a sight. A sight can be accommodated in several sites.” 

Es kostet wenig Mühe, die ‘Linienstadt Küste’ als eine 66 64? Kilometer lange, allerdings hier und da unterbrochene Reihe von aufeinander gestapelten ‚Guckkästen’ zu sehen. Der übergroße Teil der Hochhäuser mit Blick aufs Meer hat, etwas rudimentär dargestellt, die Form eines Schuhkartons, dessen (meistens kurze) Seite auf der Meeresseite vorzugsweise vollständig aus Glas besteht. Vor allem die Appartements in den höheren Etagen sind keineswegs an einen bestimmten Ort bzw. an einen Badeort gebunden, sondern vielmehr an eine Aussicht, nämlich an die Aussicht auf den starren, reinen, durch nichts behinderten Horizont. In dem Sinne werden diese Appartements noch etwas ‘ortsloser’ als die Wohneinheiten von Le Corbusiers Rioprojekt. Die waren nämlich noch einem bestimmten Ort – der Bai von Rio – zugewandt. Der ‘Blick’ aus einem an der Seepromenade gelegenen Appartement an der belgischen Küste ist ganz anders. Im Extremfall – in einem Appartement in der zehnten Etage – fällt jeder vertikale Orientierungspunkt weg und bleibt nichts anderes übrig als eine horizontale Linie. Für alle parallel mit der Küstenlinie aufgestellten ‚Guckkästen’ gilt, dass ein Stück undifferenzierter Horizont in das Wohnzimmer hineinkommt und dass dieser Horizont in seiner Undifferenziertheit für jeden derselbe ist – von jedem geteilt wird. Die lineare und kontinuierliche Struktur der belgischen Küstenbebauung bringt eine systematische Gleichschaltung des Blicks mit sich. Aber da alle Hochhäuser in ein und derselben Linie aufgestellt sind, fallen auch alle Nachbarn weg, sobald sich der Bewohner-Betrachter in seinem eigenen Guckkasten befindet. Als eine Art ideale Inkarnation der kapitalistischen Demokratie verbindet die ‘Linienstadt Küste’ eine systematische Nivellierung des Blicks mit einer genauso weitgehenden Individualisierung des Blicks. Die Aussicht, die in großem Umfang, ‘en masse’, kollektiv geteilt wird, wird gleichzeitig jedem einzelnen Eigentümer oder Mieter eines teuer bezahlten Appartements an der Seepromenade insgesamt angeboten. Außerdem gibt es noch einen Aspekt, der den Blick aufs Meer geradezu zu einer äußerst individuellen Erfahrung macht, und das bringt uns gleichzeitig zum Kern von Stijn Coles Installationen in Ahlen: Unabhängig von der Höhe, von der aus man guckt, unabhängig von der Etage, wo sich das Küstenappartement befindet, liegt der Horizont immer wieder, unveränderlich und unveräußerlich, in Ihrer eigenen Augenhöhe. Das Appartement an der Seepromenade ist folglich nicht ohne weiteres an eine Aussicht auf den Horizont gebunden, sondern an Ihre Aussicht, an Ihren Horizont. Vielleicht bildet dies das Geheimnis des unablässigen Erfolgs und der Attraktivität: Der Blick auf den Horizont garantiert eine universelle Erfahrung und Bestätigung unserer menschlichen Einmaligkeit. Durch die Vermittlung des Horizonts stehe ich in direktem Kontakt mit der Welt.     

2. Die universelle Landschaft

Der Horizont ist nicht immer so wichtig gewesen. Im Westen war man noch im Mittelalter der Meinung, es lohne sich nicht, den Horizont darzustellen. Die Darstellung des Horizonts kommt nur in einigen sehr wenigen Kulturen vor. Der Indianer oder der Bauer, die beide in engem Kontakt mit der Natur stehen, zeigen keine Landschaften, da sie selber mitten in der Landschaft stehen. Die Landschaft ist ein Produkt des Stadtbewohners, der seine Umgebung aus einer gewissen Distanz betrachtet und in Bildern darstellt, ästhetisiert. Ton Lemaire hat gezeigt, wie die Darstellung der Welt als einer Landschaft eine Handlung der Befreiung und der Verselbständigung des Individuums ist. „Es ist durch ein und dieselbe Bewegung, dass sich das Individuum als autonomes Subjekt aufstellt und die Welt als landschaftlicher Raum erscheint.“ Deshalb erscheinen Individuum und Landschaft gleichzeitig. „In solchen Gemälden, wo ein Porträt dargestellt wird und wo im Hintergrund eine Landschaft zu sehen ist […], zeigt sich deutlich das Geheimnis des modernen Geistes. Hier ist auf ein Elementarbild reduziert worden, was die Leistung und Inspiration der Renaissance gewesen ist: Das Erwachen des selbstbewussten Menschen vor dem Hintergrund der Welt, das Sichselbsterkennen des Subjekts, das sich von der Welt trennt, um sie übersehen und beherrschen zu können.“ Das moderne Individuum und die Landschaft sind unlöslich miteinander verbunden, sie bedingen sich gegenseitig. Das hat Stijn Cole perfekt gesehen, und seine Installationen bringen dies perfekt zum Ausdruck.

Die moderne Befreiung des Individuums an Hand des Horizonts heißt ebenfalls, dass der geschlossene mittelalterliche Kosmos aufgebrochen wird, so Lemaire: „In der Darstellung des Horizonts drückt sich eine Zurückhaltung gegenüber der eigenen Kultur aus, und der Wille, nicht mit sich selber zusammenzufallen, keine endgültige Identität zu besitzen.“ Die Darstellung des Horizonts ist die Voraussetzung, ferne Meere zu befahren und neue Welten zu erkunden. Die Tiefenwirkung enthält ein Versprechen, und die Perspektive wirkt als eine Waffe, um das Unbekannte zu kartieren, um zu den neu eroberten Welten Distanz zu nehmen und diese zu beherrschen. Diese Waffe muss dafür sorgen, dass das Unvorhersagbare und Unsichere, das vom Horizont ausgeht, nicht die Oberhand gewinnen würden und in eine existenzielle Angst, in Zweifel und Einsamkeit verwandelt würden. Lemaire betrachtet die holländische Landschaft aus dem 17. Jahrhundert als den Höhepunkt der Landschaftsmalerei, da er meint, es finde sich dort ein harmonisches Gleichgewicht zwischen dem gegenseitigen Einfluss von Mensch und Natur. In der Rationalisierung des 18. Jahrhunderts fehlt dieses Gleichgewicht, und die Romantik des 19. Jahrhunderts reagiert mit einem exaltierten Kult der individuellen Emotion auf die zunehmende Mechanisierung der Gesellschaft. Das Subjekt, die individuelle Wahrnehmung und somit auch die Landschaft geraten allmählich immer mehr unter Druck. Die transparente, klare, fast selbstverständliche Darstellung der Landschaft wird durch immer mehr sich verwischende und verzerrte Darstellungen ersetzt. In dem Maße, wie die Erfahrung und die Darstellung einer sinnlichen Wirklichkeit problematischer werden, treten die malerischen Komponenten selber stärker in der Vordergrund: Farbmaterial, Pinselstrich, Form, Farbe. Letztendlich werden diese ihre eigene Autonomie für sich beanspruchen und so die Geburt der abstrakten Malerei einläuten. Aber bis zu den großen abstrakt-expressionistischen Gemälden von Marc Rothko in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts spielt sogar das abstrakte, monochrome Gemälde noch immer die traditionelle Rolle eines Gemäldes: Es ist ein Fenster auf die Welt, ein Hinweis auf ‚eine’ (sinnliche, ideelle, gefühlsmäßige, metaphysische) Realität oder die virtuelle Darstellung einer solchen Realität, so wie dies seit der Renaissance angefangen hatte. Rothko zeigt, repräsentiert seine „innerlichen Landschaften“. Individuum und Landschaft werden hier in einer endlosen gegenseitigen Spiegelung extrem eng aufeinander bezogen. In der Nachkriegskunst entwickelt sich das Gemälde mit Künstlern wie Lucio Fontana und Frank Stella immer mehr zu einer Form der ‚buchstäblichen’ Kunst oder zur ‚Literal Art’, es wird (nichts mehr als) ein Objekt an der Wand, das auf nichts ‚anderes’ verweist, sondern einen Teil der konkreten physischen Umgebung, in der es präsentiert wird, und der räumlichen Erfahrung des Zuschauers bildet. In einer solchen Umgebung braucht es nicht zu wundern, dass ein Künstler wie Niele Toroni sich seit den siebziger Jahren als (nichts mehr als) einen Hausmaler präsentiert.

Was zeigt Stijn Cole uns in Ahlen? Genauso wie Le Corbusier produziert Cole Guckmaschinen, von denen der Zuschauer ein Teil wird, sobald er sie betritt. Die Diaprojektoren betonen den mechanischen Aspekt dieses Sehens. Da jede Landschaft auf die Farbkombination Grün-Blau reduziert wird, getrennt durch den Horizont, geht Cole weiter als Le Corbusier und die belgische Küste. Die Landschaft wird jeder ‚Couleur locale’ beraubt. Während die ‚Aussicht’ von Colomina noch für ‚verschiedene Orte’ gilt, bezieht sich die von Stijn Cole konstruierte Aussicht durch ihre extreme Reduzierung auf alle möglichen Orte. Cole präsentiert uns die universelle Landschaft. Eigentlich zeigt er uns die Mechanik des Sehens selber.

So sehr diese Landschaft auch an das Individuum, an das Subjekt gebunden ist, sie hat nichts Persönliches. Die universelle Landschaft wird konstruiert von dem universellen Subjekt und schafft gleichzeitig dieses universelle Subjekt. Dies zeigt sich auch in der Art und Weise, wie Stijn Cole seine Installationen schafft. Während alle Landschaften auf seiner Liste die persönliche Note ihres Autors zeigen, bemalt Cole die Wand wie ein Dekorateur. Die universelle Landschaft ist (nichts mehr als) eine banale, mit Grün und Blau dekorierte Wand. In dem Sinne treibt Cole die ‚Literal Art’ auf die Spitze. Den Rest seiner Arbeit überlässt er den Projektoren, die eine einfach bemalte Wand in die Illusion endloser Fernen auflösen lassen. So lässt er uns erneut die süße Illusion des Gemäldes als eines klaren, transparenten Fensters auf die Welt schmecken. Oder vielmehr auf das Universum.